Die heutige Konsumgesellschaft produziert tonnenweise Abfall. Vor allem der gedankenlose Einsatz von Plastik schadet der Natur. Das Umweltbewusstsein wächst jedoch. Auch in Portugal. Natália Estêvão stellt Recyceln noch eine Stufe höher. Sie verwandelt alten Kunststoff wahrhaftig in Kunst
Natálias Werke spiegeln ihren Charak-ter wider: dynamisch, nonkonformistisch, lebensfroh, feminin und stolz auf ihre portugiesischen Wurzeln! All dies ist auf den ersten Blick erkennbar. Eine weitere Eigenschaft der 40-Jährigen, nämlich, dass sie umweltbewusst ist, erfährt man erst, wenn sie erklärt, dass ihre Kunstwerke aus alten Plastikbehältern und Zeitungspapier hergestellt sind.
Die in Deutschland weit verbreitete Papp-maché-Technik ist in Portugal praktisch unbe-kannt. Natália stoß eher aus Zufall auf sie. Da-durch, dass sie beruflich wegen der Krise im Immobiliensektor etwas unterbeschäftigt war, beschloss sie, ihre neu gewonnene Freizeit künstle-risch zu gestalten. Auf der Su-che nach ausgefallenen Handarbeiten im weltwei-ten Netz entdeckte sie die Pappmaché-Technik. „Viele der Webseiten waren für Kinder. Daher dachte ich, wenn Kinder das machen können, dann schaffe ich es auch”, erinnert Natália sich. Das war vor drei Jahren. Dass diese Technik zu ihrer Leidenschaft werden und sie in diesem kurzen Zeitraum die Technik so weit entwickeln würde, ahnte sie damals nicht. Doch Natália ist ein geborenes Pappmaché-Talent! Familie und Freunde durften sich über ihre ersten Figuren freuen und motivierten sie dazu, ihr Schaffen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Was sie schließlich im September 2012 auf einer Kunsthandwerksmesse in Loulé tat.
Ihre Kunst machte sofort Furore. Sie gestaltet Figuren und Themen, die nicht nur den Recyclinggedanken in den Vordergrund stellen, sondern auch die portugiesische Kultur und Tradition ehren und sie gleichzeitig neu zusammenfügen.
Die recycelten Materialien sind so stark verändert, dass sie nicht wieder zu erkennen sind. „Mein Ziel ist es, den Sachen ein komplett neues Leben zu verleihen“, so Natália, „so, dass man nicht einmal erkennt, dass es sich um altes Plastik und Zeitungspapier handelt“. Zudem will sie die Betrachter überraschen. Daher hat ihr Hahn von Barcelos nicht das traditionelle Motiv und die traditionellen Farben. Diese benutzt sie wiederum, um ein afrikanisches Wildschwein, einen Gecko oder ein Schwein zu bemalen. Sie respektiert Portugals Traditionen und Kultur, ist stolz auf sie und will diese auf eine innovative Art ehren. Aus dem Hahn von Barcelos wird daher eine Katze oder ein Esel. Die Motive der traditionellen Stickerei aus Guimarães oder der Lenços dos Namorados, mit bunten Bildern und Versen bestickte Tücher, die junge Damen ihren Verehren gaben, verzieren ebenfalls ihre Tierfiguren. „Erneuern und recyceln, nicht nur die Materialien, sondern auch die Ideen”, fasst sie lächelnd zusammen. Auch dem Fado und deren Diven wie Amália Rodrigues und Mariza bringt sie mit ihrer Kollektion Respekt entgegen. Ihre Bewunderung für die andalusische Kultur, deren Energie und ômbaLeidenschaft, bringt sie durch ihre Sevillana-Figuren zum Ausdruck. Natálias Weiblichkeit spiegelt sich wider an lackierten Fingernägeln und Lippenstift an Geckos oder Nilpferden. Gemeinsam haben all ihre Figuren, dass sie ausgefallen und bunt sind und
sofort die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
An ihrem Arbeitsplatz in der Garage, umgeben von Kartons, Styropor, alten Zeitungen, Plastikflaschen und Dosen, alles ordentlich nach Material sortiert und gestapelt, erklärt sie ihre Arbeitsmethode. Bei den meisten Figuren bilden 5-Liter-Wasserbehälter den Hohlkörper; um an Volumen zu gewinnen, kommt zerknülltes Zeitungspapier dazu und zuletzt das eingeweichte und mit Kleister gemischte Zeitungspapier. Viele ihrer Schöpfungen erhalten noch eine letzte Schicht aus Gips. Im Gegensatz zu Papp- maché lässt sich dieser besser schleifen und Natália ist eine glatte Oberfläche sehr wichtig. „Einerseits macht diese Schicht das Objekt resistenter und die Farben lassen sich besser auftragen und andererseits verleiht es dem Stück ein porzellanartiges Aussehen“, erklärt sie. Bemalt werden die Objekte mit Acryl-Farben und Wasserlack. „Ich würde liebend gerne Naturfarbe und -lack benutzen“, so Natália, „doch die Naturfarben sind nicht so kräftig und lassen sich auf Pappmaché nicht so leicht auftragen und einen Naturlack konnte ich bislang nicht finden“.
Für dieses Jahr setzt sie sich als Ziel, ihre erste Ausstellung zu organisieren. Bis dahin wird sie u.a. beim Tag der offenen Tür der Quinta dos Vales (s. S. 16) in Estômbar zu finden sein. Noch ist Natália Estêvão weitgehend unbekannt und ihre Kreationen sehr erschwinglich. Doch wer weiß, ob sie in fünf Jahren nicht zu den bekanntesten Künstlern Portugals zählen wird?
Anabela Gaspar, ESA 4/14
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Mob.: 919 192 940, natalia.estevao@sapo.pt