Wenn Pferd und Mensch entspannen
Nachhaltig und bewusst leben, ist das Motto des Holistic Riding Center. Mit sich selbst, der Natur und den Tieren im Einklang zu sein, die Lebensphilosophie
Seit 14 Jahren lebt der gebürtige Deutsche Andreas Endries in Portugal. Hier widmet er sich seiner Kindheitsliebe, nämlich den Pferden. Schon mit vier Jahren konnte Andreas reiten. Als Jugendlicher nahm er an Reitwettbewerben teil. Als junger Erwachsener war er als Reiter und Trainer von Sportpferden bekannt und nahm an internationalen Turnieren teil. Nach einigen Jahren wurde der Druck für die Tiere und ihn selbst zu hoch und er hatte keinen Spaß mehr am Reiten. Ohne zu zögern, beendete Andreas seine Reitsportkarriere und schlug einen anderen Weg ein. Er bereiste die Welt, machte verschiedene Ausbildungen, arbeitete mit Kindern und war mit einer Theatergruppe unterwegs. Während dieser Zeit kam Andreas erstmals in Kontakt mit Yoga, Tai Chi und Reiki. „Einzigartige Erfahrungen, die bis heute mein Leben prägen“, so Andreas.
2001 verbrachte Andreas seinen Urlaub in Portugal. „Ein Reitstall machte mir ein interessantes Angebot und ich akzeptierte sofort“, erinnert sich Andreas. „Die schöne Landschaft, die Gastfreundschaft der Menschen und das Licht hier waren mehr als ausreichend Gründe, um das Angebot zu anzunehmen“. Die ersten zwei Jahre arbeitete er gemeinsam mit einer Freundin und gab Reitunterricht; 2003 entschied er sich, sein eigenes Projekt zu starten. So wurde das „Holistic Riding Center“ bei Carrapateira im Naturschutzgebiet der Costa Vicentina ins Leben gerufen. Dort bietet er ganz besonderen Reitunterricht an, dessen Schwerpunkt darin liegt, das Pferd zu verstehen, damit das Pferd auch den Menschen versteht.
Das Reitzentrum befindet sich auf dem 34 Hektar großen Gelände der Landtourismusanlage Monte Velho. Zwischen den Korkeichen, den Erdbeer- und den Eukalyptusbäumen stehen den Pferden mehrere Koppeln zur Verfügung. Sie machen einen solch unbeschwerten und zufriedenen Eindruck, dass sie wie wilde Pferde wirken und man sofort erkennt: Es geht ihnen hier gut. Zwei Pferde hat Andreas für den heutigen Tag bereits auf den Reitplatz gebracht. Dort grasen sie nun gemütlich, während Andreas mir noch einige Informationen zum Unterricht gibt. „Der Schwerpunkt liegt nicht auf dem Ausreiten, sondern darauf, dass der Mensch von den Pferden lernt und dabei auch sich selbst besser kennenlernt“, betont Andreas. Dann machen wir eine kurze Meditation und Aufwärmübungen, die uns dazu verhelfen sollen, mehr Körpergefühl zu entwickeln und unsere Umgebung besser wahrzunehmen.
Nach der Theorie beginnt die Praxis. Wir wenden uns den Pferden zu, um ihnen die Halfter umzulegen, lassen uns dabei aber Zeit, um sie nicht beim Grasen zu stören. Nach einigen Anläufen lässt sich Aroa, das Pferd mit dem ich arbeiten werde, überreden. Zuerst striegeln wir die Pferde, säubern die Hufe und das Fell. Auch dies ist wichtig, um Vertrauen zum Pferd herzustellen. Dann beginne ich, mit Aroa im Schritt zu gehen.
Die Zeit mit Andreas und seinen Pferden zeigt mir, dass mehr dahinter steckt als am Zügel zu ziehen, wenn das Pferd stehen bleibt, denn das ist die falsche Art um eine Beziehung zu den Tieren herzustellen. Es geht darum, mit den Pferden nicht nur physisch, sondern auch psychisch verbunden zu sein. Der Zügel ist nur eine Unterstützung, er sollte nie gespannt sein oder dazu dienen, das Tier mit Gewalt von der Stelle zu bewegen. Oft versucht Aroa mich auszutricksen, indem sie stehen bleibt oder hinter mir die Seite wechselt. Gleich am Anfang muss ich ihr zeigen, dass ich bestimme, sonst wird sie mich nicht respektieren und nur das tun, was sie will. „Du musst ein klares Ziel haben. Wenn du nicht weißt, wo du hingehen willst, wird Aroa dir nicht folgen. Wenn du aber selbstbewusst auftrittst, wird sie dir auf Schritt und Tritt folgen“, so Andreas. Wichtig sei dabei, dass das Pferd nicht direkt hinter meinem Rücken geht, sondern rechts oder links von mir. Es muss auch ein gewisser Sicherheitsabstand vorhanden sein, da dem Pferd Grenzen gesetzt werden müssen.
Von Minute zu Minute merke ich, dass wir uns besser kennenlernen und eine immer stärkere Verbindung zueinander aufbauen. Nach den gemeinsamen Bodenarbeiten darf ich mich auf Aroa setzen, um ein wenig zu reiten. Nicht mit Sattel, sondern mit einem sogenannten Pad, eine Art Satteldecke. Auch Trensengebisse werden auf dem Hof nicht verwendet. Stattdessen arbeitet Andreas mit einer gebisslosen Hackamore, die angenehmer für die Pferde ist. Ich lerne, dass man hauptsächlich mit seinem Körper auf das Pferd einwirken soll und nicht mit den Zügeln. Wenn ich also die Richtung wechseln und anhalten will, soll ich dies mit leichtem Schenkeldruck und Beckenbewegungen signalisieren. Das ist gar nicht so einfach, aber nach einigen Versuchen gelingt es mir und wir gehen über in Trab. Immer mehr fühle ich mich mit Aroa in Einklang und es macht richtig Spaß einen anderen Reitstil als den gewohnten kennenzulernen. Zum Abschluss des Unterrichtes machen wir noch einige Yogaübungen auf dem Pferd und geben ihnen einige Karotten und Streicheleinheiten, bevor wir sie zurück auf die Koppel bringen.
Während der gemeinsamen Stunden mit Andreas lernte ich viel über das Wesen der Pferde, aber auch über den Menschen und über mich selbst. Wenn man mit den Gedanken immer in der Gegenwart ist, seinen Handlungen hundertprozentige Aufmerksamkeit schenkt und sich feste Ziele setzt, wird das Selbstbewusstsein gestärkt und man hat mehr Zeit das Leben zu genießen.
Text: Eva-Marie Heinrich
ESA 10/15
Holistic Riding Center
Monte Velho
8670-230 Carrapateira
Mob.: 916 269 813
a.endries@holistic-riding.com
www.holistic-riding.com/pt