Hochseeangler können nur wenige Seemeilen vor der Algarve-Küste auf ihre Kosten kommen. Zum möglichen Fang gehören Blauhaie, Weiße Thunfische oder Blaue Marlins. Der September ist eine der besten Angelzeiten in der Region
Neun Uhr morgens, Yachthafen von Vilamoura. Das Boot Sant´Anna vom Unternehmen Algarve Seafaris ist startbereit. Eduardo Gonçalves und Ricardo Nascimento begrüßen die Gäste. An Bord sind 15 Personen. 14 Männer und ich. Eine bunt gemischte Mannschaft. Nicht, was das Geschlecht betrifft, aber die Nationalitäten: fünf Franzosen, drei Niederländer, drei Portugiesen, zwei Russen, ein Deutscher und ein Engländer. Gemeinsam haben wir nichts, außer dass wir für den heutigen Tag einen Angelausflug gebucht haben. Als einzige Frau hoffe ich inständig, dass ich als erste einen Fisch fange. Und zwar nicht irgendeinen, sondern einen Blauhai! Ricardo erzählt mir, dass sie erst am Vortag ein 1,80 Meter langes Exemplar gefangen haben. Ich nehme mir daher fest vor, einen mindestens 2 Meter großen Blauhai an die Angel zu bekommen. Sechs Stunden werden wir unterwegs sein. Reichlich Zeit, um nicht mit leeren Händen an Land zurück zukommen. Langsam verlassen wir die sicheren Gewässer des Yachthafens und nehmen Kurs auf die Hochsee. An der Mole sehen wir einige Angler und schauen sie fast hochmutig an. Auch wir werden, wie sie, bald unsere Augen hoffnungsvoll auf die Angelschnur richten. An deren Ende wird aber nicht ein kaum 30 Zentimeter großer Fisch baumeln, sondern hoffentlich ein Blauhai oder ein Schwertfisch. Wir werden neun Seemeilen, d.h. ungefähr eineinhalb Stunden rausfahren. Zuerst nehme ich am Bug in der Sonne Platz, um den Blick auf das tiefblaue Meer, das heute etwas unruhig ist, und auf die goldene Küste mit den weiß getünchten Häusern zu genießen. Ich merke jedoch schnell, dass die Schaukelei am Bug des Bootes meinem Magen nicht bekommt und suche die Sicherheit und den Komfort der Kajüte. Während ich versuche, ? mich auf die Linie am Horizont zu konzentrieren, fällt mir auch endlich ein, was ich vergessen habe: das Medikament gegen Seekrankheit zu nehmen. Zum Umkehren ist es nun zu spät und Ricardo teilt mir bedauernd mit, dass es an Bord nichts dergleichen gibt. Ich mache mir sofort eine Notiz, in Zukunft außer Aufnahmegerät und Fotoapparat auch Medikamente gegen Reiseübelkeit stets dabei zu haben. Ich bin jedoch nicht die einzige, die benötigte Materialien vergessen hat. Eduardo stellt fest, dass kein Sack für den Köder vorhanden ist. Als erfahrener Seemann löst er jedoch innerhalb weniger Minuten sein Problem, indem er einen Sack aus einem Stück Fischernetz näht. Dann übernimmt er wieder das Ruder, damit Ricardo den Köder vorbereiten kann. In einem Eimer zerstückelt er einige Makrelen, füllt mit dem entstandenen Mischmasch den Sack und wirft ihn über Bord. Danach befestigt er auch jeweils zwei Makrelen an den 14 Angelruten. Trotz der frischen Luft ist mir weiterhin übel. Meine Ausflugskameraden scheint der Wellengang hingegen nicht im Geringsten zu stören. Anfangs noch in Gruppen geteilt, plaudern sie mittlerweile alle zusammen auf Englisch und stoßen immer wieder fröhlich mit einem Bierchen an. Mir wird allein beim Gedanken an Trinken oder Essen übel. Sie beißen jedoch kräftig in ihre Sandwiches und nehmen noch einen Schluck. Als ich fast dabei bin einzuschlafen, höre ich plötzlich alle schreien. Sie jubeln und feuern Max, einen der Franzosen, an. „Go Max, don´t give up!“ rufen sie ihm zu. Dabei ist Max der einzige an Bord, der nicht Englisch spricht. Was jedoch sicher keine Rolle spielt, denn er wird auch so verstehen, was sie ihm sagen wollen. Während ich ihren Enthusiasmus wahrnehme und vor allem lautstark höre, wie sie sich gegenseitig auf die Schultern klopfen, kann ich es nicht verhindern, eine Verbindung zu den frühen Höhlenmenschen herzustellen. Im Steinzeitalter, als die Männer zusammen auf die Jagd gingen, muss es wohl auch so gewesen sein. Trotz Entwicklung der Menschheit haben sich einige Sachen doch nicht verändert. Mühsam schleppe ich mich zum Deck, um zu sehen, was Max gefangen hat. Und siehe da: einen zirka 1,30 Meter langen Blauhai. Aus den 14 Männern sind 14 kleine Jungs an einem Weihnachtsmorgen geworden. Sie jubeln und feiern zusammen. Alle machen nacheinander Fotos in verschiedenen Posen mit der Trophäe. Einige sagen lächelnd, dass sie ihren Freunden erzählen werden, dass sie der erfolgreiche Angler waren. Lustig dabei ist, dass Max, der den Blauhai gefangen hat, derjenige ist, der sich am wenigstens über den Fang zu freuen scheint. Die anderen sind keineswegs darüber enttäuscht, dass sie selbst nichts gefangen haben, sondern freuen sich aus vollem Herzen für Max. Innerhalb knapper 3 Stunden wurde aus 14 fremden Männern eine Gruppe, die sich seit Ewigkeiten zu kennen scheint. Sie haben dieses Erlebnis geteilt und werden es sicher noch lange in Erinnerung behalten. Ich werde diesen Ausflug auch nicht so schnell vergessen. Aber aus ganz anderen Gründen.
Anabela Gaspar
ESA 9/13
Algarve Seafaris, www.algarve-seafaris.com, tel 289 302 318, info@algarve-seafaris.com