Ewig grüne Welt
Eingebettet in ein steiles, dicht bewachsenes Tal voller Kastanien, Korkeichen, Eukalyptus und Kiefern, ist der ruhige kleine malerische Kurort Caldas de Monchique die Antithese der Badeorte der Algarve
In Caldas de Monchique könnte man meinen, sich in einer anderen Region Portugals, sogar in einem anderen Land zu befinden. Es ist kaum zu glauben, dass in nur knappen 30 Kilometer Entfernung der Strand und das Meer liegen. Dank dem feuchten und milden, subtropischen maritimen Bergklima, dem fruchtbaren Granitboden und den vielen Quellen und Wasserläufen unterscheidet sich die Flora des 350 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Ortes stark vom Rest der Algarve. Das besondere Mikroklima ermöglicht, dass neben der typischen mediterranen Vegetation wie Eichen und Erdbeerbäume auch Bäume und Pflanzen wachsen, die eigentlich in feuchteren Klimazonen zu Hause sind wie Kiefern, Kastanien, Platanen oder Kamelien. Viele der Bäume, die dicht und üppig zusammenstehen, erreichen eine Höhe von über zehn Meter und die Stämme haben bis zu zwei Meter Durchmesser. Doch nicht nur die Flora unterscheidet sich, auch die Gebäude in Caldas sind nicht algarvetypisch und lassen eine prachtvolle und adelige Vergangenheit erahnen. All dies und vieles mehr kann man entlang des knapp zwei Kilometer langen Rundgangs in Caldas entdecken.
Das Auto stellen wir gleich an der Einfahrtsstraße ab und gehen die wenigen Meter bis zum Hauptplatz. Von dort folgen wir der Straße rechts und erreichen kurz darauf die 1940 erbaute Kapelle der Heiligen Teresa, die komplett aus Syenit gebaut ist, ein Stein der hier häufig zu finden und daher perfekt in der Landschaft integriert ist. Im Inneren der Kapelle, die aus einem einzigen Schiff besteht, sieht man mehrere Kachelpaneele aus dem 18. Jahrhundert, die das Leben von Santa Teresa darstellen. Die Hauptfassade ist mit einem Rundfenster, einem Portal mit Steinrahmen und einer von Säulen gestützten Veranda verziert. Rund um die Kapelle wurde eine kleine Parkanlage mit Holzbrücken über den Bach errichtet.
Nachdem wir um die Kapelle herum gegangen sind, folgen wir dem Trampelpfad direkt unterhalb des dem Verfall preisgegebenen Gebäudes rechts von der Kapelle, unter der hunderte von Jahren alten, krumm gewachsenen Eiche hindurch, bis zu der anderen Parkanlage von Caldas de Monchique. Zwei bis drei Wege führen zu diesem künstlich angelegten, wild wuchernden Park. Der äußere rechte Weg ist für gehbehinderte Menschen nicht geeignet.
Zu dieser Jahreszeit zeigt sich die Landschaft um Caldas de Monchique auf eine Weise winterlich, wie man sie in der Algarve sonst nicht findet. Gelbe, goldene und braune Baumkronen lassen nur wenige Sonnenstrahlen durch und buntes Laub bedeckt den Boden. Die Pfade führen an Wasserläufen, Becken und Quellen vorbei. Im Schatten von Platanen, Kastanien, Akazien und Eukalyptus wachsen seerosenartige Wasserpflanzen, Ranken, Kräuter, Kakteen und an den Mauern bunte Blumen und Moos. Dazwischen Stufen aus Naturstein, Beckeneinfassungen aus Granit, Tische und Bänke, die zum Verweilen und zu einem Picknick einladen, ein Labyrinth aus schmalen und breiten Kanälen sowie große und kleine Becken, die das Wasser den leichten Hang hinunter leiten, und Holzbrücken – kurz: geordnete Wildheit.
Rund ein Dutzend Quellen speisen die Bäche, deren Ursprung weit oben in der Serra de Monchique liegen mag. Fast jede dieser Quellen ist mit einem Volksglauben verbunden. So beispielsweise die Quelle der Liebenden, die im nördlichen Bereich des Parks unterhalb einer unansehnlichen grünen Metalltür aus einem kleinen Rohr an einer Steinmauer fließt. Mehrmals wiederkehrend soll die oder der Verliebte den Namen seines Schatzes aussprechen und von dem Wasser trinken, damit die Liebe erhört wird beziehungsweise beständig bleibt. Ich überlege mir, ob ich nicht meine Wasserflasche mit diesem Wasser füllen soll, doch wenige Meter weiter südlich fließt die Quelle der Jugend in ein kleines Naturbecken. Deren Wasser soll den regelmäßig Trinkenden jährlich um sechs Jahre verjüngen. Verliebt und verheiratet bin ich schon, aber jünger werde ich bestimmt nicht wieder. Also vielleicht doch lieber von diesem Wasser abfüllen?
In diesen Gedanken verloren, erreiche ich kurz darauf den Hauptplatz. Münzen und andere Funde,
die um jene Stelle des Kurortes gefunden wurden, an der nun das moderne Thermalbad steht, belegen, dass bereits die Römer die hiesigen Quellen nutzten, deren schwefelreiches, gut 32 Grad warmes Wasser, eine therapeutische Wirkung insbesondere gegen Atemwegserkrankungen und Rheuma haben soll. Nach dem Abzug der Römer geriet der Ort ein wenig in Vergessenheit. Die Mauren waren wohl nicht allzu sehr an den Quellen interessiert. Erst 1495 wird die Geschichte des Kurortes weitergeschrieben. König Dom João II versuchte hier seine Leiden zu heilen. Leider ohne Erfolg. Er starb im Oktober 1495 in Alvor. Vier Jahre später erschloss Vasco da Gama nach den Plänen des verstorbenen Königs den Seeweg nach Indien. Kurz darauf entdeckte Pedro Álvares Cabral Brasilien. Die Entdeckungsreisen waren in vollem Gang und von Caldas aus war es kaum eine 3-Tage-Reise nach Sagres, von wo aus der Infante D. Henrique die Entdecker in die weite unbekannte Welt hinausschickte. Somit wurde Caldas zunehmend zum Ziel weltlichen und geistlichen Adels.
Nach dem großen Erdbeben im November 1755 sorgte der Bischof Dom Francisco Gomes de Avelar für einige Verbesserungen im Ort. 1773 erhielt Caldas de Monchique den Status einer Kleinstadt (Vila). 1789 wurde die medizinische Wirkung des Wassers erstmals fachlich untersucht und die positiven Ergebnisse führten zum Bau eines Hospitals. Ab 1833 kümmerte sich die Leitung des Krankenhauses auch um das Wohl der armen Bevölkerung. Sieben Jahre später wurde es dann verstaatlicht; 1869 folgte ein Dekret, das vor und nach dem Baden in den Quellen einen Arztbesuch vorschrieb. Der Wissenschaftler Professor Charles Lepierre nahm im Jahr 1899 das Quellwasser unter die Lupe mit dem Fazit: „Das ist das mineralienhaltigste Wasser, das ich kenne!“
Während der Salazar-Diktatur verlor der Ort an Ausstrahlungskraft. Mit der Nelkenrevolution im Jahr 1974 wurde die Kleinstadt in die Hände des staatlichen Pousada-Betreibers Enatour übergeben. Die Häuser und das Bad verfielen zunehmend. 1993 schrieb Enatour das Gros des Ortes zum Verkauf aus. Den Zuschlag erhielt ein Jahr später die Fundação Oriente, eine Entwicklungsgesellschaft eines Macau-Chinesen. Nach fast vier Jahren Bauarbeiten wurden die Thermalquellen Termas de Monchique dann im Mai 2000 neu eröffnet. Nicht nur wurden die Thermalbäder zu den Bekanntesten im Land, sondern Caldas de Monchique entwickelt sich seitdem zu einem der beliebtesten Ausflugsziele der Region. Kein Wunder, denn die kleine Ortschaft ist eine Oase der Ruhe und die Parkanlage ein kleiner, archaischer Garten Eden.
Die meisten Gebäude im Ortskern gehören der Stiftung, die die Thermalbäder betreibt, und dienen den Gästen als Unterkunft. Hinzu kommen Restaurants, ein Café und ein Kunsthandwerk-Shop sowie gepflegte Gartenanlagen mit sattgrünen Rasenflächen. Nicht nur die ehemaligen adeligen Residenzen, die kleinen Palästen ähneln, wecken unsere Aufmerksamkeit, sondern auch kleine Details wie die Retro-Straßenbeleuchtung, mit Steinen umrahmte Fenster oder sogar die nette Behausung des Katers Pernalta („Langbein“).
Weiter geht es hinter dem Gebäude mit den arabischen Fenstern, unter den Arkaden hindurch und dann an dem Hang entlang, oberhalb dessen die EN 266 verläuft. Wir blicken auf den Pool des Thermalhotels, an dem die Liegestühle zu dieser Jahreszeit leer stehen, und auf das dreistöckige Hotelgebäude, das ganz und gar nicht zur Landschaft und der kleinen Ortschaft passt. Der Pflasterstraße vor dem Eingang des Hotels folgend, passieren wir kurz darauf die Abfüllstation des berühmten Wassers von Monchique. Die großen Hallen, in denen dem Wasser der Schwefelgeschmack entzogen wird, sind noch unansehnlicher als das Hotel und würden besser in ein Industriegebiet passen. Man muss jedoch versuchen es positiv zu sehen, denn die Abfüllstation bietet Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung und verhilft Monchique durch den landesweiten Vertrieb des Wassers zu noch mehr Bekanntheit. Schließlich nehmen wir den breiten Weg rechts zurück zum Ortskern und entspannen uns kurz darauf bei einem Gläschen Wein vor der Taberna mit Blick auf den traditionellen Backofen.
Um sich wohlzufühlen und Energie zu tanken, muss man also nicht unbedingt die Thermalbäder
besuchen. Ein Spaziergang durch die Parkanlage und den Ort reicht dafür vollkommen aus. Vor allem, wenn man auf dem Heimweg in einem der vielen Restaurants an der Nationalstraße anhält und Leckeres aus der Serra probiert, wie Schinken, Wurst oder Migas mit Schweinefleisch, die mir genau wie die von meiner Oma schmeckten!
Text und Foto: Anabela Gaspar
In ESA 01/16