Am Alqueva funkeln die Sterne besonders hell
Unbeleuchtete Landstraßen und Kreisverkehre sind gewöhnungsbedürftig. Um jedoch des Kosmos` Licht zu wahren, macht die fehlende Straßenbeleuchtung Sinn – denn nur so kommen Astro-Fans und Himmelsromantiker auf ihre sternenklare Kosten
Fällt eine Sternschnuppe durch das Dunkel der Nacht, wünschen wir uns etwas. Mit Aberglauben hat das wenig zu tun, hingegen mit Faszination für den Kosmos und seine Abermillionen Sterne, die am nächtlichen Himmelszelt funkeln. Sternschnuppen bringen Glück, heißt es. Deswegen schweift der Blick hoffnungsvoll zu den Sternen, die zu geometrischen Linien angeordnet, Figuren bilden, die die Unendlichkeit schmücken. Mit bloßem Auge erkennbar sind Wega und Arktur, die beiden ersten Sterne des Firmaments, sobald der Tag sich mit dem Sonnenuntergang verabschiedet – gefolgt vom Polarstern – dem Richtungsweiser der Menschheitsgeschichte. Sein Licht gilt als himmlischer Lotse für die Schifffahrt, für Karawanenführer in der Wüste, für Bergsteiger in abgelegenen Bergregionen und für die Luftfahrt.
„Zumindest in den vergangenen 4.700 Jahren, denn zuvor war ein anderer Stern zwecks Orientierung gen Nordpol zuständig“, erklärt Nuno Santos, schickt einen Laserstrahl durch die Nacht und zielt auf einen Punkt im scheinbaren Nichts, wo der Stern Alpha Draconis blass leuchtet, der Nordstern des Alten Ägypten.
Dynamisch pädagogisch erklärt Nuno, der studierte Physiker und Geophysiker und zweifach dekorierte Sieger bei den Nationalen Astronomie Olympiaden für Studenten, den aufmerksam lauschenden Astro-Fans den Himmel und dessen Gestirne über dem Dorfflecken Cumeada im südlichen Landkreis Reguengos de Monsaraz unweit des Alqueva-Stausees im Baixo Alentejo. Anschaulich zeigt der Astro-Spezialist und Kosmoskenner mit seinem „Laserfinger“, wie man den heutigen Polarstern findet, wo Kassiopeia, Skorpion und Großer Bär neben Kleinem Bär rund um den Nordstern formiert liegen, und gewöhnt seine Gäste allmählich an den Blick mit bloßem Auge in den Nachthimmel, bevor es in das „Heiligtum“ der Sternwarte Dark Sky® Alqueva geht – in das Observatorium.
„Wenn wir das hier beendet haben, stehen alle Figuren an einem anderen Platz“, sagt Nuno und erläutert auf diese Weise en passant das Rotationsprinzip der Erde, verbildlicht gleichzeitig die elliptische Umlaufbahn unseres Planeten und macht das Fortschreiten von Zeit sichtbar. „Astronomie ist kompliziert“, lacht Nuno, „aber wir können sie sehen – und dadurch verstehen.“ Die kleine Gruppe mit acht Personen lacht begeistert mit. So leicht – in Anführungszeichen – kann es also sein, den Nachthimmel zu dekodieren.
Die Gruppen bleiben bewusst klein, um das Astro-Erlebnis auch am Teleskop mit Bedacht zu optimieren und den dauernden persönlichen Kontakt zwischen Astronom und Besucher zu garantieren. Deswegen werden bei der Terminvereinbarung interessierte Sternenhimmelfreunde gleich nach Sprachverständnis, Portugiesisch und Englisch, in zwei Gruppen geteilt. Nuno beherrscht das Vermitteln seines astrophysischen und astronomischen Wissens nämlich auf Englisch genauso perfekt wie in seiner Muttersprache Portugiesisch. Aber bitte nacheinander, nicht gleichzeitig. Mit einer sympathischen Portion Humor streut Nuno Pointen in seinen Vortrag ein, lässt Sternschnuppen regnen und erfindet selbst für kompakte Wissensvermittlung Sprachbilder, die Erwachsenen und Kindern gleichermaßen den Zugang zur „Milkyway“ und den Sternbildern verständlich öffnen.
Bereits als Kind fühlte Nuno sich von den unzähligen Sternen am Nachthimmel magisch angezogen und eignete sich Wissen an. Deswegen weiß er, wie mühsam es sein kann, den Kosmos sehen zu lernen, wenn man die Fachterminologie noch nicht beherrscht. Astronomie soll aber gerade für Kinder verständlich sein, meint er, damit sie Himmel und Erde verstehen, und so fahndet er nach Wortbildern, die gleichzeitig mit Spaß an der Sache erklären – und Neugierde spielerisch befriedigen.
Das Vermitteln von Wissen als Abenteuer aufgebaut, haben sich die Gründerin und Präsidentin Apolónia Rodrigues der Associação Dark Sky und ihr engagiertes Team vom Observatório Oficial Dark Sky® Alqueva von Anfang an zum Motto gemacht. Damit das rundum gelingt, stehen der Sternwarte neben Nuno Santos als Astronom, der mehrfach ausgezeichnete Astro-Fotograf Miguel Claro und die Diplom-Fachwirtin für ökologisch nachhaltigen Tourismus Rebecca Slade zur Seite. Gemeinsam setzen sie sich ein für den Erhalt des Gebietes, das 2011 zur weltweit ersten Starlight Tourism Destination erklärt wurde.
Ausgebreitet auf einer Fläche rund um den größten künstlich gestauten See Europas, misst das zum Kulturerbe erkorene Astro-Paradies knapp 10.000 Quadratkilometer und erstreckt sich auf portugiesischem Territorium bis nach Barrancos, Serpa und Mértola gen Süden, nach Redondo und Alandoral im Norden, nach Évora im Westen – und auf spanischer Alqueva und Guadiana-Uferseite deckungsgleich nach Osten, Norden und Süden, zusammengefasst unter dem geschützten Namen Dark Sky® Alqueva. Die „Starlight“-Zone und ihre Beziehung zum Kosmos ist besonders schützenswert, weil sich in dem genannten geografischen Gebiet die größte Anzahl steinzeitlicher Steinkreise der Iberischen Halbinsel befinden, die in Lage, Anordnung und Beziehung zueinander auf das damalige Sternbild ausgerichtet stehen und Zeugnis für prähistorische astronomische Kenntnisse ablegen, auf die unsere Zivilisation mit aufgebaut wurde. Der Schutz besteht unter anderem darin, dass die einzelnen Gemeinden diesseits und jenseits der Landesgrenze gemeinsam mit der Assoziation Dark Sky ein Konzept entwickelt haben, um die Lichtverschmutzung in der Region so gering wie möglich zu halten, damit sich der Nachthimmel über dem Alqueva in seiner einzigartigen Schönheit vollends dem Betrachter aufblättert. Dazu zählt der Austausch von Leuchtkörpern mit hoher Strahlintensität und Leuchtradius gegen solche mit niedriger Leuchtkraft. Das Lampenlicht wird gebündelt senkrecht auf den Weg oder die Straße gerichtet, was mittelalterlich anmutende Ortschaften wie Mourão, Monsaraz, Alandroal, Terena und all die anderen Dörfer rund um den Alqueva in nostalgische Sepia-Nuancen taucht. Neben dem ökologischen Effekt verleiht dies der Region noch zusätzlichen Charme.
Auf Straßenlaternen an Landstraßen wird verzichtet. Auf diese Weise gelingt es, in der geschützten Sternenlicht-Zone die atmosphärische Lichtverschmutzung derart niedrig zu halten, dass es in wolkenlosen Nächten und bei Neumond sogar ohne Hochleistungsteleskop möglich ist, mitten durch die Milchstraße zu den in unserem Sonnensystem näher gelegenen Planeten Venus, Jupiter und Saturn zu blicken. Im Herzen der 2020 mit etlichen Preisen ausgezeichneten und zu einer der weltweit nachhaltigsten Top 100 Green Destinations erhobenen Sternwarte, stehen außerdem Hochleistungsteleskope, die Planeten und sich neu bildende Sonnen beim Blick durch die Optik in scheinbar greifbare Nähe rücken.
Nuno schmunzelt. „Das Sternenlicht, das wir sehen, ist bereits Vergangenheit“, sagt er, denn bis das Sternenlicht unser Auge erreicht, sind manchmal bereits mehrere tausend Jahre vergangen.
Macht nichts! Dank Lichtgeschwindigkeit – und der Sternwarte – können wir das Astro-Paradies am Alqueva mit atemberaubender Intensität und an ausgewählten Dunkelorten überhaupt sichtbar erleben.
Dark Sky® Alqueva
Rua da Nossa Sra. da Conceição
Cumeada, Reguengos de Monsaraz, Évora
Tel.: (+351) 913 103 540
info@darkskyalqueva.com
darkskyalqueva.com
Tipps für Dunkelorte
für romantische Stelldicheins unter dem Sternenzelt mit Mitternachtspicknick in der Umgebung von Cumeada:
- Campinho – Richtung Alqueva-Ufer
- Ancadouro, Monsaraz
- Cromeleque do Xerez, Monsaraz/Outeiro
An anderen Orten im Astro-Paradies:
- Pulo do Lobo, Mértola
- Aldeia da Serra, Serra da Ossa
- Mina da Rocha, Terena
- Die Burgruine in Juromenha
- Die Burg von Noudar, Barrancos
- Steinekreis Cromeleque dos Almendres,
- Guadalupe, Évora
Text: Catrin George Ponciano in ESA 08/2021