Auf dem Rad durch den Alentejo (Teil 1)
Die Reisejournalistin Judith Weibrecht hat eine Schwäche für den Alentejo und fürs Radfahren. Was läge da näher als die Region auf zwei Rädern zu erkunden. Es geht gemächlich voran, was dem Naturell der Menschen in der Provinz entspricht
Die Luft flimmert vor Hitze so stark, dass sich die knorrigen Korkeichen und die Olivenhaine vor rotbrauner, von der Sonne versengter Erde zu wellen scheinen. Schweiß rinnt und brennt auf der Haut, die Ruhe und die Hügel scheinen endlos, die weiß gekalkten Dörfer liegen still. Ist das das Glück? Es scheint so. Beginnen wir gleich mit José Saramago, dem großen Dichter Portugals aus dem Ribatejo: ,,Das Glück hat viele Gesichter… Reisen ist wahrscheinlich eines davon“ (José Saramago: Die portugiesische Reise). Wahrscheinlich, fast möchte man ihm aber widersprechen und rufen: ,,Sicher ist es das!“, reist man auf zwei Rädern durchs Alentejo. Além Tejo, jenseits des Tejo, liegt dieses vergessene Land voller Zeit. Es ist die flächenmäßig größte Region Portugals und gleichzeitig die am dünnsten besiedelte. Kein besseres Fortbewegungsmittel käme einem hier in den Sinn, so man sich überhaupt fort bewegen möchte, als ein Fahrrad. Eines der lusitanischen Pferde, die hier gezüchtet werden, vielleicht noch oder doch eher ein Grautier. Gerade kommt eines vorbei. João heißt der Mann mit dem Esel und dem braun gebrannten zerfurchten Gesicht, und bleibt stehen. ,,Diiiiiiiiia!“, grüßt einer dann. Taaaaaaaag!, alles wird lang gezogen, auch die Zeit, die keine Bedeutung zu haben scheint. Gefühlte drei Minuten dauert die Begrüßung, eine weitere halbe Stunde ein ,,Pläuschchen“. Warum ich denn weiter wolle? Ich weiß auch nicht… Das war in Lissabon anders, hektischer. Rad zu fahren trauten wir uns dort nicht zu, obwohl es auch da durchaus Strecken gäbe. Und ein leichter Wind wehte vom Meer her durch die Hauptstadt. Jetzt fehlt er. Denn Évora, die weiße Museumsstadt im Mudéjar-Stil, Weltkulturerbe natürlich, die einem vorkommt wie das portugiesische Rothenburg, empfängt uns wie ein Backofen. Von Stadtmauern ist sie umgeben, die Praça do Giraldo mit ihren Schatten spendenden Arkadengängen ist das beschauliche Zentrum und Treffpunkt für nicht enden wollende Gespräche. Benannt ist sie nach dem furchtlosen Gerhard, der die Stadt 1165 von den Mauren befreit hatte. In der Capela dos Ossos, der mit Menschenknochen ausgekleideten Kapelle in der São Francisco-Kirche sagt einem ein Spruch oben an der Wand: ,,Wir Knochen, die wir hier versammelt sind, warten auf deine!“ Wer es nicht ganz so gruselig mag, besichtige lieber den eindrucksvollen römischen Diana-Tempel aus dem 1. Jahrhundert. Hier im belebten Universitätsstädtchen Évora mit seinen netten Kneipen geht die Radtour los.
Weltkulturerbe: der Diana-Tempel in Évora
Am ersten Tag geht es auf den hervorragenden Scott-ATB-Leihrädern von Bikeiberia via São Matias nach Cromeleque dos Almendres, einer Ansammlung von Menhiren beziehungsweise Monolithen, angeblich die größte der derartigen Fundstätten in Europa. Steil geht es einen Sandweg hinauf. Ein wenig Muskelschmalz ist schon nötig für die welligen Hügel des Alentejo! Dann liegen die rundlichen Steine mit ihren magischen Kräften vor uns und wir genießen die Blicke weit hinein in die Landschaft. Müdigkeit wollen wir allerdings nicht vorschützen, denn wir wollen noch nach Viana do Alentejo mit seiner trutzigen Burg.
Viana ist wohl das, was man ein nettes Städtchen nennen sollte, und unsere Herberge ist die netteste von allen! In der Casa de Viana wird man von dem verständnisvollen Hausherrn mit kühlem Wasser und einem leckeren Obstkorb empfangen. Und am nächsten Morgen gibt es ein wahres Radfahrerfrühstück mit Käse, Wurst und köstlichen selbst gemachten Marmeladen! Die Räder wurden wie selbstverständlich in den Hausflur geschoben. Jeder hier am Ort wird mit Ihnen sprechen wollen, im Café Central, im Restaurante Dom Luís, ob Sie Portugiesisch verstehen, oder nicht. Die weißen Häuser sind hier am Ort genau wie die Fenster gelb umrandet zum Schutz gegen die bösen Geister. Ein alter maurischer Brauch. Dass er von den Mauren ist, will man heute nicht mehr wissen, schließlich hat man sie besiegt. Am zweiten Tag fahren wir auf ruhigen Nebenstraßen mit lichten Korkeichen- und Olivenhainen, die wie geschaffen sind zum Radfahren, ins pittoreske, weiß gekalkte Alvito. Sogleich werden wir von älteren Herrschaften mit Schiebermützen begrüßt und umringt. Dasselbe passiert uns schweißtreibende 21 Kilometer weiter im Marktstädtchen Vidigueira und später auch in Portel. Für die Radpausen ist hier überaus gut gesorgt, denn die Dörfer und Städtchen befinden sich in praktischen Etappenabständen von zirka 15 Kilometern voneinander. Eine Bar findet sich immer, doch sind sie nicht immer leicht zu erkennen, etwa nur an streifigen Plastikvorhängen oder an davor gestapelten leeren Bierkästen. Als Radfahrer bekommt man jedoch schnell Übung darin und hört schon das Geplauder aus dem Raum dringen. Auf geht’s zu den leckeren Kleinigkeiten, die man hier probieren kann! Pastéis de Bacalhau, Kabeljaupastetchen, Chamuça, mit Hackfleisch und Curry gefüllter Blätterteig, hausgemachter Käse: Weiter nun! Extra Radwege braucht es hier wahrlich nicht, denn motorisierte Zeitgenossen begegnen uns auf der Strecke Richtung Amieira kaum. Wir quälen uns noch einen Feldweg von der Straße ab hoch auf den Monte da Figueira, dann folgt der Lohn: ein herrschaftliches Anwesen mit Fahrradgarage in einer Quinta! Mehr und mehr werden solche ehemaligen Herrensitze für den ländlichen Tourismus ausgebaut, oftmals ist ökologischer Landbau angeschlossen. Wir genießen die abends kühlenden Winde, den kühlen Weißwein der Region, den Blick zum Sternenhimmel mit leiser Fadomusik im Hintergrund, das opulente Mahl. Was könnte schöner sein? Der dritte Tag führt zurück auf das von Korkeichen und Schafherden gesäumte Sträßchen nach Amieira, an dessen Ende wir die Ehre haben, eine nagelneue Landstraße in Richtung Moura einzuweihen. Wahrscheinlich sollte ich das hier nicht erzählen, aber anhand dieser Geschichte lässt sich nur zu gut verdeutlichen, wie liebenswürdig die Alentejaner sind: Man will uns erst nicht durchlassen, die Straße wird erst um 15 Uhr eröffnet mit Bürgermeister und Scherenschnitt! Doch ein netter Herr half uns: ,,Passt auf! Ich lenke den Bauarbeiter ab und verwickele ihn in ein Gespräch, und ihr fahrt einfach weiter! Er wird ein bisschen mit den Armen rudern und sich aufblasen, aber das macht nichts. Fahrt einfach durch!“ Gesagt, getan. Am anderen Ende der Fahrt wartet natürlich das Festkomitee auf uns, aber keiner nimmt Notiz. Moura schließlich ist berühmt für sein Olivenöl und für seine Thermen. Der Name rührt von einer hübschen maurischen Frau namens Moura Salúquia her. Der Sage nach sprang sie vom Burgturm in den Tod, als statt des von ihr erwarteten Bräutigams die Christen in die Stadt kamen. Die Burg von Moura, die sich schon bei der Anfahrt eindrucksvoll ins Blickfeld schiebt, wurde auf maurischen Grundfesten erbaut. Schon wieder diese Mauren! Und natürlich gibt es ein maurisches Viertel, aber auch eines im andalusischen Stil mit schmiedeeisernen Balkonen, wie uns die kundige Stadtführerin Dr. Ana Palma erklärt. Sie wird uns auch auf der nächsten Etappe begleiten. (Lesen Sie den zweiten Teil der Reportage in der Mai-Ausgabe der ESA)
Viana ist wohl das, was man ein nettes Städtchen nennen sollte
ESA 4/06
INFORMATIONEN
Reiseveranstalter und Fahrradverleih: (organisiert auch Transport der Räder innerhalb Portugals): Bikeiberia Tv. Inglesinhos, 52 R/C 1200-223 Lissabon, Portugal Tel.: +351 213 47 03 47 Mob.: +351 96 242 3455 info@bikeiberia.com www.bikeiberia.com (Die Räder können auch ab Évora gemietet werden.) Fahrradfahrerfreundliche Hotels entlang der Strecke: Hotel D. Fernando Av. Dr. Francisco Barahona, 2 7000-756 Évora Tel.: +351 266 741 717 www.manorhouses.com/hotels/ htldomfr.html Apartamentos Monte da Serralheira (mit Fahrradstation) Luzia van der Feltz 700-788 Évora Tel./Fax: +351 266 741 286 monteserralheira@mail.telepac.pt Casa de Viana Rua Cândido dos Reis, 1 7090-238 Viana do Alentejo Tel.: +351 266 953 500 Hotel Rural Monte de Figueira Monte da Figueira – Amieira 7220-134 Portel Tel.: +351 266 612 120 http://www.montedafigueira.pt/