30 unvergessliche Minuten
Die Stadt Tavira hat in den letzten Jahren stark auf Kulturtourismus gesetzt und das Angebot reicht mittlerweile weit über die 30 Kirchen oder die Burganlage hinaus. Inmitten dieses Panoramas sticht nun ein neues Glanzstück hervor. Das Projekt der Associação Fado com História ist einzigartig – nicht nur in Tavira, sondern in der gesamten Algarve
Mal locken melancholische, mal fröhliche Fadoklänge Passanten in das Gebäude im historischen Stadtzentrum von Tavira. Die Dekoration ist schlicht und elegant. An der hinteren schwarzen Wand hängen zwei große goldene Spiegel. Die gegenüberliegende Wand ziert ein altes schwarz-weiß Foto mit einem Konzert von Amália Rodrigues. Davor stehen zwei goldene Stühle mit samtroten Bezügen und Stuhlreihen für das Publikum. An den Seitenwänden hängen schwere samtrote Vorhänge, wie man sie aus alten Theatersälen kennt. Täglich finden hier sechs Fado-Konzerte statt. Drei am Vormittag, drei am Nachmittag. Unabhängig von der Anzahl der Zuhörer und stets pünktlich. Nachdem die Vorhänge gefallen sind, werden keine weiteren Besucher zugelassen. „Dies wäre für das Publikum und die Musiker sehr störend“, so Virgílio Lança, einer der Gründer und die treibende Kraft hinter dem Verein. Lange muss man aber nicht warten, denn das nächste Konzert findet schon eine Stunde später statt.
Jede Veranstaltung beginnt mit der Vorführung des Films von Portugals Fado-Experten Rui Vieira Nery, der für die Bewerbung des Fados zum immateriellen Weltkulturerbe produziert wurde. Der englischsprachige Film mit portugiesischen Untertiteln fasst die Geschichte dieses Musikstils in zirka zehn Minuten zusammen.
Er erzählt von den Ursprüngen des Fados, der ersten Fadista Maria
Severa, einer Prostituierten aus Lissabons Armenviertel Mouraria, und anderen historischen Figuren der Fado-Szene wie Alfredo Marceneiro und Hermínia Silves und der Internationalisierung durch Amália
Rodrigues und die aktuellen Fado-Stars wie Camané, Mariza, Ana Moura, Kátia Guerreiro, Carminho und natürlich durch Carlos do Carmo
(s. ESA 12/14), einem Namen, der seit 50 Jahren unzertrennbar mit dem Fado verbunden ist.
Der Tradition folgend, beginnt das eigentliche Fado-Konzert mit einem Instrumental, bei dem die Zuhörer die Klänge der Portugiesischen Gitarre genießen können. Miguel Drago spielt dieses traditionelle, portugiesische Instrument, Virgílio Lança spielt die Gitarre. Dann heißt es: Silêncio, que se vai cantar o fado! (Ruhe bitte! Jetzt wird Fado gesungen). Teresa Viola, eine renommierte Fado-Sängerin in der Algarve, betritt die kleine Bühne im langen Kleid und schwarzem Schal um die Schultern. Sie singt vier Fados, die dem Publikum die verschiedenen Stile näher bringen: melancholisch, fröhlich und zuletzt, wieder der Tradition folgend, einen Marsch, wie sie zum jährlichen Fest zu Ehren des Volksheiligen Antonius im Juni in Lissabon gesungen werden. Teresa singt aus vollem Herz und mit ganzer Seele. Sie ist sehr ausdrucksvoll und scheint jeden Klang durch ihre Bewegung noch weiter unterstreichen zu wollen, obwohl ihre Stimme dazu vollkommen ausreicht. Vor jedem Fado erklärt Virgílio den Zuschauern, welchen es zu hören gibt, von wem er ist, wovon er handelt und liefert noch andere interessante und oft kuriose Fakten. Kein Konzert gleicht dem anderen. Das Repertoire wechselt ständig – vor allem, weil es unter den Zuschauern einige gibt, die schon mehrmals eine Veranstaltung besucht haben. Ein belgisches Ehepaar, dass bereits zum dritten Mal unter den Zuhörern ist, meint lächelnd, dass die Konzerte für sie einen idealen Tagesbeginn bilden. Sie entdeckten den Verein durch Zufall und haben vor, bis zu ihrer Abreise täglich zu kommen. Das Gästebuch zeugt ebenfalls von vielen zufriedenen Besuchern.
Die Adjektive, die am meisten benutzt werden, sind „fantastisch“, „wunderschön“ und „unvergesslich“.
Einmal im Monat findet auch eine Gala statt, bei der andere Fado-Sänger der Algarve auftreten. So z. B. Raquel Peters, die 2005 als beste Fado-Sängerin Portugals gekürt wurde, Filipa Sousa, die 2012 Portugal beim Eurovision Song Contest vertrat, Sara Gonçalves oder Pedro Viola. Veranstaltungsort der Gala ist die kleine, wunderschöne Igreja da Misericórdia, direkt neben dem Verein. Die Kirche gilt als das bemerkenswerteste Bauwerk der Renaissance in der Algarve. Ihre Wände sind mit blau-weißen Azulejos bestückt und ihr Hauptaltar ist einfach atemberaubend.
Egal ob im Sitz des Vereins oder in der Kirche, es sind stets kleine intime Konzerte – 30 Minuten, die den Besuchern sicher in Erinnerung bleiben werden.
Text und Fotos: Anabela Gaspar
ESA 01/15
Fado com História
Konzerte: Mo – Sa 10.15 h, 11.15 h, 12.15 h, 15.15 h, 16.15 h, 17.15 h
Preis:5 Euro
Rua Damião Augusto de Brito Vasconcelos, nº 4, Tavira
Mob.: 968 774 613
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